Energieeffizienz, E-Mobilität

Das Merkblatt SIA 2060 Infrastruktur für Elektrofahrzeuge in Gebäuden

Elektromobilität spielt in der Schweiz eine immer grössere Rolle. Das ist nicht nur bedeutsam für die Automobilbranche oder die Endverbraucher, sondern hat auch Einfluss auf Immobilienbesitzer*innen, die ihre Gebäude für die Elektromobilität aufrüsten müssen. Das SIA 2060 Merkblatt soll ihnen auf diesem Weg behilflich sein. Daher fassen wir die wichtigsten Informationen des Merkblatts für Sie übersichtlich zusammen.

Die Zahl der neuzugelassenen Elektroautos steigt kontinuierlich. Allein im Jahr 2022 wurden über 40.000 rein elektrisch betriebene Fahrzeuge in der Schweiz zugelassen – das ist ein Plus von 26,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Diese Zahlen sind beeindruckend und führen dazu, dass auch Immobilienbesitzer*innen sich mit dem Thema E-Mobilität stärker konfrontiert sehen. Von ihnen wird erwartet, dass sie den Bewohner*innen eine möglichst verlässliche und mit den Eigenschaften des Gebäudes funktionierende Ladeinfrastruktur zur Verfügung stellen.

Doch wer seine Immobilien auf den neuen Mobilitätsbedarf der Schweizer*innen umrüstet, hat durchaus Vorteile, denn eigene Ladestationen anzubieten steigert den Wert der Immobilie nachhaltig. Trotzdem ist die Bereitstellung einer Ladeinfrastruktur für Immobilienbesitzer*innen häufig eine Herausforderung. Das liegt vor allem daran, dass ihnen ein klarer Rahmen und Wissen zur Umsetzung lange fehlten. Das Merkblatt SIA 2060 soll hier Abhilfe schaffen.

Was ist das SIA 2060 Merkblatt?

Das Merkblatt SIA 2060 des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA) stellt einen Leitfaden für die Planung und Ausführung zur Umsetzung einer Ladeinfrastruktur für Gebäude dar. In Kraft getreten ist es erstmals am 1. Juni 2020. Ziel ist es, unnötig hohe und falsche Investitionskosten zu vermieden und alle Voraussetzungen an die Elektromobilität zu erfüllen. Die Vorgaben gelten für Neubauten und für Parkplätze bereits bestehender Gebäude, die umfassend saniert werden.

Das 44-seitige Merkblatt gibt konkrete Angaben zum Umfang des Ausbaus von Ladestationen für zwei- und vierrädrige Elektrofahrzeuge und gibt Hinweise darauf, was bei der Planung sowie Umsetzung beachtet werden muss. Dabei unterscheidet es insgesamt vier Ausbaustufen von A bis D (wobei es bei der Ausbaustufe C zwei Unterkategorien gibt). Auf der Website des SIA kann man das Merkblatt käuflich erwerben. Allerdings gibt es einen kostenlosen Online-Konfigurator, der Ihnen dabei hilft, Ihre Ladelösung zu dimensionieren und dabei alle erforderlichen Vorgaben des Merkblatts SIA 2060 einzuhalten. 

Welche Ausbaustufen gibt es?

Die bereits erwähnten Ausbaustufen gemäss SIA 2060 für Personenkraftwagen sind wie folgt unterteilt:

Ausbaustufe A – Pipe for power

Diese Stufe dient der Einrichtung von Ausbaureserven und muss für 100 Prozent der Parkplätze in Neubauten realisiert werden. Sie umfasst eine leere Leitungsinfrastruktur (Leerrohre und Kabeltragsysteme) für Elektrizität und Kommunikation sowie Platzreserven für die elektrischen Schutzeinrichtungen und Stromzähler.

Ausbaustufe B - Power to building

In dieser Stufe wird die Anschlussleitung (Gebäudezuleitung) eingerichtet. Stufe B soll für mindestens 60 Prozent der Parkplätze umgesetzt werden, wobei der Zielwert jedoch bei 80 Prozent liegt.

Ausbaustufe C1 - Power to garage

Diese Stufe umfasst den Ausbau der Stromzuleitung bis 3 Meter an den Standort der künftigen Ladestation heran, inklusive des Einbaus der elektrischen Schutzeinrichtungen und allfälligen Kommunikationsverkabelung. Um später einen Ladeplatz aufzurüsten, muss die Zuleitung bis direkt an den Standort der Ladestation erweitert und die Ladestation selbst installiert werden.

Ausbaustufe C2 - Power to parking

Bei der Stufe C2 wird die Stromzuleitung direkt bis zum finalen Standort der Ladestation verlegt, ebenfalls inklusive des Einbaus der elektrischen Schutzeinrichtungen und allfälligen Kommunikationsverkabelung. Hier muss lediglich die Ladestation selbst nachgerüstet werden.

Ausbaustufe D - Ready to charge

Die letzte Ausbaustufe beschreibt den finalen Ausbau einer Ladestation. Bei einem Neubau muss ein Einfamilienhaus mit mind. einer betriebsbereiten Ladestation und ein Mehrfamilienhaus mit mind. zwei Ladestationen ausgerüstet werden. Bei grösseren Immobilien gilt es mind. 20 Prozent der Parkplätze mit betriebsbereiten Ladestationen auszustatten.

 

Was steht noch im Merkblatt SIA 2060?

Die Art, wie wir unsere Fahrzeuge «betanken», ändert sich mit der voranschreitenden E-Mobilität. Anstelle des Tankens von Kraftstoff an einer Tankstelle, sollten Elektroautos, sobald sie abgestellt werden, dauerhaft ans Netz angeschlossen sein. Zudem sollten Ladestationen immer in eine Leistungsbewirtschaftung eingebettet werden (und künftig auch im Netz des Versorgers), um dem Leistungsbedarf der E-Autos gerecht zu werden und die Maximalleistung einzuhalten. Dadurch können die Fahrzeuge selbst mit ihren Speicherkapazitäten dazu beitragen, das Stromversorgungsnetz ggf. zu stabilisieren.

 

Laut des Merkblattes liegt die grösste Kostenersparnis beim 100-prozentigen Ausbau der Stufe A, da hier keine teuren baulichen Massnahmen für die Leitungen am Gebäude nachträglich vorgenommen werden müssen. Höhere Kosten können durch den Netzanschluss entstehen, falls bei Neubauten keine E-Mobilität vorausgeplant wurde oder bei bestehenden Bauten die Anschlussleistung gering ist. In beiden Fällen bietet der Netzanschluss nicht genügend Leistung für die geplanten Ladestationen und ein Lastmanagement wird benötigt.

Mithilfe eines Lastmanagements lässt sich die maximale bezogene Leistung der Ladestationen regeln, was besonders wichtig ist, um eine Überlastung des Netzanschlusses zu vermeiden. Dabei sollte bei der Planung unbedingt eine Kommunikationsschnittstelle wie 4G, WLAN oder LAN eingeplant werden, so dass die Stationen wie auch das Lastmanagement kommunizieren können.

Auch ein Vorgehen, um die Stromproduktion von PV-Anlagen und/oder stationäre Pufferbatterien miteinzubeziehen ist im Merkblatt zu finden. Hierfür dient eine sogenannte Regelsoftware, die die Nutzung ermöglicht.

 

Besonders wichtig in der Planung einer Ladeinfrastruktur ist, dass die Entscheidung für einen Anbieter für Lastmanagement, Abrechnung usw. bereits vor der Installation der ersten Ladestation getroffen wird. Die Wahl ist dann auch im Reglement der Stockwerkeigentümergemeinschaft oder Mietvertrag schriftlich festzuhalten. Damit können Sie sicherstellen, dass die Bewohner*innen  der Immobilie nur kompatible Modelle einsetzen dürfen und es später nicht zu Schwierigkeiten kommt.

 

Schweiz wird zum Vorreiten der E-Mobilität

Das Merkblatt SIA 2060 gibt viele hilfreiche Angaben für Immobilienbesitzer*innen und Bauherr*innen. Auch, wenn es in Nachbarländern wie bspw. Deutschland ähnliche Regularien gibt, sind sie meist weniger präzise und auch nicht vergleichbar mit der Aktualität der zugrundeliegenden Prognosen im Schweizer Merkblatt. Somit wird die Schweiz zur Vorreiterin dafür, wie Gebäude für die Anforderungen der E-Mobilität umgerüstet werden müssen.

Für eine fachliche Beratung zu einer Ladeinfrastruktur in Ihrer Immobilie oder in Ihrem Unternehmen stehen wir Ihnen natürlich auch jederzeit gern zur Seite. Sie können uns ganz einfach über unser Kontaktformular erreichen.

 

 
Weitere spannende Themen rund um E-Mobilität und Energie gibt es in unserem Blog.

 

 

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